
Von wegen
"Pfaffenkönig"
Ferdinand Seibts Klassiker
über Karl IV. wurde neu aufgelegt
Von
Roland
Detsch
Die Goldene Bulle und die Goldene Stadt
-- wenn überhaupt, so sind sie es, die Kaiser Karl IV. jenseits der Grenzen
seiner böhmischen Stammlande bescheidenen Nachruhm eintrugen. Er war nicht
geboren zum strahlenden Helden, sondern liebte den Frieden, kultivierte das
Bild vom weisen König und war ansonsten eher rastloser Arbeiter als
prunkvoller Herrscher. Um den Luxemburger auf dem Prager Thron, der 1346 auf
Betreiben von Papst Klemens VI. als Gegenkönig zum verhassten und
exkommunizierten Ludwig von Bayern installiert und nach dessen Tod zum Kaiser
des Heiligen Römischen Reiches erhoben wurde, aus der geschichtlichen
Versenkung zu holen und ins rechte Licht zu rücken, bedurfte es eines
Historikers aus Böhmen und eines Jubiläumsjahres.
Kein Geringerer als Ferdinand Seibt nahm
sich des vergessenen Monarchen an und legte zu dessen 600. Todestag die
inzwischen zum Klassiker avancierte Biografie Karl IV. Ein Kaiser in Europa
1346 bis 1378 vor. Das Werk sollte "einer neuen Deutung Karls und
seiner Zeit den Weg bahnen" und präsentiert sich als Streitschrift gegen
das negative Geschichtsbild vom "Pfaffenkönig", das Seibt auf die
von einer "unfreundlichen Attitüde gegenüber Karls Charakter" geprägte
Monografie von Emil Werunsky zurückführt. Er selbst hält Karl für einen
klugen Diplomaten und fürsorglichen Hausvater, der nicht nur eine Floskel bemühte,
als er bei seiner Kaiserkrönung neben der Ehre von Kirche und Reich auch das
Wohl aller seiner Untertanen zu mehren gelobte. Bei aller Frömmigkeit habe
Karl das Papsttum ebenso als machtpolitischen Faktor begriffen wie seine königlichen
Verwandten und Standesgenossen und sich durch politische Teilhabe und
Rechtsreformen, die tief in uralte Domänen des Adels eingriffen, geschickt
die Ergebenheit der städtischen Geldaristokratie und unterprivilegierten
Massen zu sichern gewusst.
Die Biografie von Ferdinand Seibt ist
sicherlich keine leichte Kost, dafür umso profunder. Ohne hinreichendes
geschichtliches Vorwissen über das Spätmittelalter kommt man allerdings nur
schwer aus.
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