Die andere Wahrheit

Maurice Philip Remy rettet die Ehre von Generalfeldmarschall Erwin Rommel

Von Roland Detsch

Er wählte Ungnade, wo Gehorsam nicht Ehre brachte. Zu dieser Überzeugung gelangt Maurice Philip Remy in seinem Buch zu dem gleichnamigen TV-Dreiteiler Mythos Rommel, in dem er den Widersprüchen in der Persönlichkeit des wohl populärsten Generals des Zweiten Weltkrieges auf den Grund geht. Nicht dass es ihm keine Schwierigkeiten bereiten würde, die merkwürdige Liebe seines Protagonisten zu seinem „Führer“ bis in den erzwungenen „Freitod“ nachzuvollziehen. Die Stilisierung Erwin Rommels zum strammen Nazigeneral, wie vom rechtslastigen britischen Historiker David Irving erstmals unternommen, weist er aber ebenso zurück wie Ralph Giordanos jüngstes Kriegsverbrecher-Verdikt.

Was Remy, gestützt auf zum Teil unveröffentlichtes Material, zu Tage fördert, kommt einer Ehrenrettung gleich. Denn es spricht Rommel insgesamt von individueller Schuld und Komplizenschaft mit dem verbrecherischen Naziregime frei. Es dokumentiert vielmehr den steinigen Weg eines zwischen Loyalität und Gewissen hin- und hergerissenen schlichten und lauteren Charakters zum Widerstand. Gezeigt wird nicht nur, wie der bei Freund und Feind gleichermaßen bewunderte „Wüstenfuchs“ eher unfreiwillig zum Volkshelden aufgebaut wurde, um mit seinen Erfolgen als Feldherr in Nordafrika vom Ostfront-Desaster abzulenken. Der Autor weist auch nach, dass Rommel aus Zweifel am „Endsieg“ und aus Enttäuschung über Hitlers irrwitzige Durchhaltebefehle auf verlorenem Posten vor El Alamain schon früh den weithin unbekannten Entschluss fasste, mit den Westalliierten zu paktieren, um den Krieg zu beenden. Und er liefert den eindeutigen Beleg, dass der charismatische Schwabe in die Pläne der Männer des 20. Juli eingeweiht war und – wenn auch nicht unbedingt das Attentat – zumindest den Sturz des Diktators befürwortete, als dessen Nachfolger er in Widerstandkreisen zeitweise sogar gehandelt wurde.

Widersprüche und Naivität sind für Remy das Eine: „Umso schwerer wiegt, dass dieser Mann dennoch die Kraft und den Mut aufbrachte, sich immer dann gegen Hitler zu entscheiden, wenn dessen Befehle seinem Gewissen zuwiderliefen.“ Das ist tatsächlich die andere Wahrheit über Erwin Rommel. Trotz reichlich Schlachtengetümmel ein hochgradig spannendes und aufschlussreiches Buch – zudem in hochwertiger Ausstattung und sorgfältig illustriert.

Maurice Philip Remy
Mythos Rommel
List Vlg., Mchn. 2002 -- 391 Seiten
Hardcover -- € 22,00
 
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